Von Jodpur aus fahren wir mit dem Zug weiter in den Westen Indiens, bis in die Wüstenstadt Jaisalmer. Hier sind wir der pakistanischen Grenze recht nahe und sehen an den Bahnhöfen jede Menge Soldaten, die entweder aus der Wüste nach Hause oder an die Grenze zu ihren Armeestützpunkten Reisen.
In Jaisalmer angekommen waren sie wieder, die Helikopter! Wir wussten, dass die Rikschafahrer zum Schutz der Touristen nicht bis in den kleinen Bahnhof kommen durften, um die Reisenden schon vor Verlassen des Zuges in Empfang nehmen zu können (böse Zungen würden es wohl belagern nennen…). Wir konnten unsere Piloten aber schon über den schützenden Bahnhofszaun ausmachen und uns so mental auf den Flug vorbereiten.
Am Ausgang angekommen dann doch ein Lichtblick – wir wurden vom Hotel abgeholt und somit relativ unbehelligt an den Massen vorbei geschleust!
Am nächsten Morgen ging es für uns dann in die Wüste – auf dem Rücken von Kamelen querfeldein bis die Sonne unter geht!
Mit im Team: Keli und James aus New Jersey, unsere drei Kamelflüsterer und fünf Kamele – mehr oder weniger gut erzogen und durchaus regenscheu! Regenscheu? Dazu später mehr…
Nachdem wir uns einige alte Maharaja Gräber angeschaut haben, verlässt unser Jeep die Straße und düst noch ein gutes Stück durch die Wüste bis zum Treffpunkt, an dem die Kamelführer mit ihren Tieren schon auf uns warten. Beim Beladen der Kamele fiel uns vieren direkt ein Tier auf, welches anscheinend keine große Lust auf den bevorstehenden Trip hatte. Es grunzte, bockte, war offensichtlich ziemlich schlecht gelaunt und vielleicht auch ein bisschen aggressiv und wollte sich auf keinen Fall auf dem Sandboden niederlassen, um ein wenig Gepäck entgegen zu nehmen – die unschönen Metall- oder auch Knochenstäbe, die den Tieren oberhalb der Nase eingesetzt werden, halfen dann aber. Schön anzusehen, geschweige denn anzuhören ist das nicht. Uns wurde dann erklärt, dass es sich um ein neues Tier handele, dass noch nicht gut gehorche. Von Belohnungslernen hat man hier wohl noch nicht so viel gehört… Als es dann zur Aufteilung ging und jeder auf ein Kamel steigen sollte, wollte natürlich unbedingt auf dem Neuling reiten. Also war es kurzerhand zum Lastentier auserkoren!
Aber auch die anderen Kamele hatten mal so ihre Aussetzer und sprangen mal unerwartet oder versuchten sich loszureißen. Das ist schon ein wenig erschreckend – in ungefähr 2,50m Höhe auf einem doch recht wilden und starken Tier sitzend, nur einen kleinen Knopf als Halt für die Hand, die andere Hand die Leine des hinteren Kamels haltend… So hatte jeder Mal eine kleine Rodeo Erfahrung!
Nach den ersten zwei Stunden war es Zeit für das Mittagessen. Wir vier machten es uns also auf den mitgenommenen Decken gemütlich, während unsere Kamelführer für uns das Essen vorbereiteten. An das Verlassen der Decken ohne Sandalen war während der Zeit nicht zu denken – zu heiß war der Wüstenboden…
Nach ausgedehnter Siesta und weiteren 4 Stunden auf unseren Kamelen erreichten wir unser Nachtlager. Wir kochten erneut, unterhielten uns viel und schlugen die Zeit tot, bis es dunkel wurde und wir uns entscheiden mussten, ob wir direkt auf dem mittlerweile kühlen Wüstenboden oder auf einer Art Wasserspeicher nächtigen wollen. Letztlich entschieden wir vier uns für den Wasserspeicher, da dieser circa 40cm höher als der Sandboden lag und wir somit ein wenig besserer vor Skorpionen oder anderen Krabbeltierchen geschützt waren. Wir machten es uns also unter unseren dicken Decken gemütlich, quatschen noch ein wenig und beobachteten die Sterne. Die Kamelführer schliefen in unmittelbarer Nähe zu den Kamelen und ungefähr 200 Meter von uns entfernt.
Die Nachtruhe hielt nicht lange an. Ich glaube es war kurz vor eins, als es plötzlich polterte und schnaufte und wir senkrecht in unseren Schlafsäcken saßen und nicht wussten was gerade passiert. Wir wussten nur eins: es ist groß, schwer und extrem nah. Da Wolken aufgezogen waren, sahen wir die Hand vor unseren Augen nicht. Nach einiger Zeit konnten wir dann einen großen schwarzen Schatten ausmachen – aber immer noch nicht identifizieren, was es ist. Also saßen wir vier (keine Ahnung wo unsere Kamelführer waren) in unseren Betten und warteten, bis wir sehen konnten, wer uns da um unseren Schlaf bringt: ein riesiger Bulle mit noch riesigeren Hörnern.
Wir waren absolut still und hofften, dass er von alleine wieder verschwindet, da er den Anschein machte, uns nicht bemerkt zu haben. In diesem Moment waren wir ziemlich froh, auf dem kleinen Plateau und nicht direkt auf dem Boden zu liegen! Der Bulle durchforstete also unsere komplette ‚Küche‘, zerriss Kartons und wollte einfach nicht mehr gehen. Als er dann an unsere Wasserflaschen wollte und diese anfing zu zertrampeln, mussten wir uns (todesmutig!) zu erkennen geben und ihn mit unseren Stirnlampen und lautem Geschrei verjagen. Gut – er trottete langsam davon und war scheinbar nicht sehr beeindruckt… Aber gut, der Plan hat funktioniert. Wir sammelten also unsere Wasserflaschen auf und versuchten uns und das Wasser so mittig wie möglich auf dem Wasserreservoir zu positionieren, damit wir in der Nacht nicht von so einem riesigen Kopf geweckt werden würden. Aber im Endeffekt hätte er uns ohne Probleme treffen können, da unser Platz ja nur circa 40cm hoch war und nicht mehr wie drei mal drei Meter maß…
Wir versuchten also wieder einzuschlafen und nach dem kleinen Abenteuer wieder zur Ruhe zu kommen. Eine gefühlte Stunde später direkt neben uns: lautes, aggressives Hundegebell, ein schniefender Bulle und keine Spur von unseren Guides. Auf ein neues senkrecht sitzend im Bett, beobachteten wir das Getümmel um uns herum, bis die Hunde von dem Bullen anscheinend die „Schnauze“ voll haben und dieser sich an unserem Nachtlager die Hörner kratzt – zehn Zentimeter von unseren Füßen entfernt. Also hieß es wieder: warten und hoffen, dass er nicht mit einem Satz auf unser kleines Podest stolziert und uns von unserem Schlafplatz vertreibt. Alles gut – nach einiger Zeit verließ ihn die Lust und wir konnten weiter schlafen.
Bis zum nächsten Morgen, 6:30 Uhr: es regnet in Strömen! In der Wüste! Wir schauen zu unseren wieder aufgetauchten Kamelführern rüber, bereit die versprochene Plastikplane aufzustellen oder schnell alles zusammen zu packen; sie schauen auch zu uns – sehen, dass wir wach sind und: stellen sich schnell schlafend! Ok, dann stecken wir also auch die Köpfe unter die Decke!
6:50 Uhr, die Decken waren durchtränkt, kein Ende des Regens in Sicht. Also stellten wir uns in den Regen und warteten, bis unsere Guides sich trauten ihr Nest zu verlassen. Dann hieß es: Frühstück, Kamele satteln und auf den nassen und wohlriechenden Tieren durch den Regen Richtung Heimat traben! Einer der Guides sagte mir noch beim Aufsteigen, dass speziell mein Kamel keinen Regen möge und ich doch bitte ein wenig vorsichtig sein solle. Was auch immer er damit meinte… Ich fand es circa fünf Minuten später heraus, als mein gestern noch so treuer Freund zum ersten Mal bockte!
Zurück in der Zivilisation wurde auch das Wetter besser und wir verbrachten einige Stunden im Dorf unserer Kamelführer. Wir wurden nach dem Mittagessen in eine Hütte gesetzt und sollten schlafen. Warum? Das wusste keiner so genau. Pünktlich mit dem Aufziehen der nächsten Regenwolken wurden wir dann gefragt, ob wir nun zurück reiten wollen. Na herzlichen Dank!
Zurück in Jaisalmer hieß es dann Sachen trocknen und unter die Dusche – was für ein Trip!
Unsere weiteren Tage verbrachten wir damit das Fort und die Stadt zu entdecken, bevor es mit dem Nachtzug zurück nach Delhi ging – mit uns die Hoffnung, dass unsere Schuhe vielleicht auch schon dort sind!